von Joachim Lorenz, Karlstein a. Main
Der alte Steinbruch ist heute ein idyllischer See im
Kiefernwald - nur 2,6 m tief!
Links: ca. 40 cm breites, leicht angewittertes Stück einer stark
blasigen Lava mit Seilstruktur aus dem Vorkommen zwischen
Kahl und Alzenau.
Rechts: Typisch kugelig ellipsoidisch verwitternder basaltischer
Andesit; angeschliffen und poliert,
Bildbreite 11 cm.
Ehemalige Steinbrüche um den früheren Gast- und Reiterhof "Forellenhof", früheres Hotel und auch Diso Forelle (Adresse: Alzenau, Steinbruch) an der Straße von Kahl nach Alzenau (Geologische Karte 1:25.000 5920 Alzenau R 354985 H 550225, siehe OKRUSCH et al. 2011, S. 210, Aufschluss 103). Die ehemaligen Steinbrüche an der Nordseite der Straße wurden weitgehend eingeebnet und sind kaum mehr als solche erkennbar. Daneben befindet sich auch das Vereinsheim der Schützen von Alzenau.
Der große Steinbruch auf der Südseite der Straße ist mit Wasser
gefüllt und infolge der langen Auflassung stark verwachsen. Nach
den Resten der neueren Bauwerke erfolgte eine Nutzung als
Angelgewässer und zur Erholung. Der Zugang zum See ist infolge des
starken Bewuchses nur schwer möglich. Die Böschungen sind steil.
Auf der Westseite sind Reste von Bauwerken aus Bruchsteinen
erhalten, bei denen es sich um die Fundamente eines Derrikkranes
handeln könnte.
Reste der Betriebseinrichtung,
aufgenommen am 18.12.2003
Die sehr weitläufigen, fächerförmigen und bis zu ca. 4 m hohen
Halden sind völlig mit einem Kiefernwald überwachsen. Dabei
handelt es sich hauptsächlich um die den Basalt einst
überlagernden Sande und Kiese, so dass hier nur wenige
Basaltbrocken oder Felsstücke ausgegraben werden können. Durch ein
heftiges Sommergewitter am 20.08.2019 wurde der Wald stark
verändert; das Gelände wurde zur Aufforstung eingezäunt.
Die Halden heben sich gegen die nahe, feuchte Niederung der
Kahlaue sehr scharf ab,
aufgenmmen am 18.12.2003
Historisches:
Der Steinbruch wurde bereits 1838 von der Gemeinde Alzenau
betrieben. Er wurde in der Folgezeit mehrfach an verschiedene
Pächter vergeben. Man stellte Schotter für den Bau und Erhalt der
Straßen in der Umgebung her. Um 1862 werden ca. 30 Personen dort
beschäftigt: Bohrer, Sprenger, Steinbrecher, Zurichter von
Pflastersteinen, Erdarbeiter; dazu noch Aufseher, Pumpenwächter
(dies zeigt, dass man damals bereits unter dem früheren, ca. 1,5 m
höheren Grundwasserspiegel arbeitete. Der See war 2010 maximal 2,6
m tief, wie eine Tauchaktion am 10. Juli 2010 durch die Taucher
Jürgen Tietz, Dieter und Björn Windhäuser aus Mühlheim
feststellten). Steinklopfer und Fuhrknechte arbeiten an 300
Arbeitstagen im Jahr! Seit 1860 gab es einen
Gastwirtschaftsbetrieb für die Steinbrucharbeiter. 1901 wird der
Abbau hier eingestellt und wurde, da man keinen weiteren Basalt
mehr fand, auch nicht mehr aufgenommen.
"Leider gelang es bis heute nicht ein Foto oder ein gemaltes Bild
aus der Abbauphase des Steinbruches aufzufinden. Dies ist sehr
ungewöhnlich. Auch konnte bisher keine Postkarte gefunden werden,
die den Steinbruch zeigt." Dieser Text galt bis 2021. Dann wurde
vom Heimat- und Geschichtsverein Kahl ein Foto zur Verfügung
gestellt, welches den aktiven Steinbruch zeigt:
Das typische Foto für einen Steinbruch um 1890 zeigt die
Mitarbeiter auf den bis zu 5 m langen und 1,5 m dicken
„Basalt“-Säulen. Man kann 42 Personen zählen, was sich mit den
schriftlichen Überlieferungen deckt. Der einzelne Mann am Rand des
Steinbruchs gehört vermutlich nicht zum Steinbruchbetrieb, war
aber Zeuge des Fotographen, der mit einer Plattenkamera auf einem
Holzstativ, schwarzer Überwurf und Glasplatten einigen Aufwand
bedeutete. Unter einer dünnen Bodendecke ist eine ungefähr 2 m
mächtige Lage von (Dünen-)Sand frei gelegt, der in der Mitte des
Fotos mit Schilfrohrmatten abgedeckt ist; dies könnte ein
Unterstand für schlechtes Wetter oder zum Einnehmen des Essens
sein. Der Basalt sondert nach oben schalig-kugelig ab, was als
Abraum auf die Halden gelangte, so dass man heute noch solche
Stücke finden kann. Links der Mitte gehen die Säulen in eine
massive Masse über, die ein anderes Abkühlungmuster und
Zerscherbung zeigt, wie in der übrigen Wand. Das Wasser wurde kurz
vor dem Foto um etwa 1/2 m abgesenkt, was man an der hellen
Verfärbung über dem Wasserspiegel sehen kann. Die schwarzen
Flecken im Wasser und im Himmel sind Stockflecken auf dem Foto.
Die Arbeiter sind mit ihrem Werkzeug abgebildet: Brechstangen,
Schaufeln, Hämmer, Vorschlaghämmer und Hacken. Viele tragen
Schürzen und alle tragen einen Hut oder eine Schildmütze. Ganz
links hinter den Menschen ist eine Kipplore auf Schienen zu
erahnen, mit denen der Kleinschlag abtransportiert wurde. Der Chef
oder Steinbruchbetreiber - üblicherweise im Anzug - fehlt. Sehr
wahrscheinlich erfolgte der Abbau ausschließlich von Hand, also
ohne Sprengmittel und Bagger. Die einzige Hebehilfe war ein
Derrik-Kran für Werksteine, dessen Reste noch vorhanden sind.
Das Gestein wurde auch in geringem Umfang als Werkstein gewonnen und verbaut. Heute findet man es nur noch an sehr wenigen Stellen in Kahl.
In Alzenau wurde das Gestein dagegen kaum verwandt, da hier der anstehende Amphibolit leichter zu gewinnen war.
Durch das heftige Gewitter (Unwetter) am 18.08.2019 sind in dem Wald darum und auf den flächigen Halden zahlreiche Bäume umgeworfen worden (stellenweise wie ein Kahlschlag), so dass die Wurzelteller die Erde darunter frei gelegt haben. Auf diesen frei gelegten Bereichen ließen sich neue Gesteinproben aufsammeln; dazu noch Tonproben aus der Verwitterungszone für das Keramik-Projekt, an dem ich seit 2021 mitarbeite.
Bei dem kleinen, inzwischen wohl völlig abgebauten
Basalt-Vorkommen handelt es sich um mehere nahe nebeneinander
liegende Ersionsreste einer einst flächendeckenden Lage aus einem
tholeiitischen Basalt. Die nächsten Vorkommen sind durch Bohrungen
belegt bzw. an der früheren Mainschleuse von Großwelzheim und
Seligenstadt bekannt. Oberirdisch sind die gleichen Gesteine -
auch als "Untermain-Trapp" bekannt - von Großauheim, Steinheim,
Wilhelmsbad, Hanau, Dietesheim, usw. bis nach Frankfurt
nachgewiesen.
Das dunkelbraune Gestein ist massig dicht, deutlich grobkörniger,
als die anderen Basalte im Spessart aber stellenweise auch porös
bis schwammig ausgebildet. Auch konnten echte Lavaoberflächen mit
einer typischen "Seilstruktur" nachgewiesen werden. Im Gestein
sind keine Einschlüsse bekannt geworden.
Wie man der spärlichen alten Literatur entnehmen kann, bestand der
Basalt aus großen Säulen (siehe oben) und war nur von einer dünnen
Sedimentschicht bedeckt. Nach dieser Beschreibung ähnelt das
Vorkommen dem heute noch zugänglichen Basalt von
Mühlheim-Dietesheim (hier sind die Steinbrüche ebenfalls mit
Wasser gefüllt, aber die säulige Struktur des Gesteins ist noch
eindrucksvoll in dem Naherholungsgebiet zwischen Hanau-Steinheim
und Dietesheim sichtbar).
Chemische Zusammensetzung des basaltischen Andesits zwischen Kahl und Alzenau:
Oxide: | Gew.-%: |
SiO2 | 51,84 |
Al2O3 | 11,27 |
CaO | 8,57 |
MgO | 6,21 |
Fe2O3 | 5,47 |
FeO | 4,98 |
Na2O | 4,34 |
K2O | 2,05 |
H2O | 1,71 |
TiO2 | 0,85 |
CO2 | 0,68 |
P2O5 | 0,34 |
MnO | Spuren |
ca. 15 cm breites Stück des basltichen Andesits
(angeschliffen und poliert) mit einer ca. 5 mm
dicken Verwitterungsrinde und frischem Bruch
oben
Das Alter des basaltischen Andesits wurde mittels der Kalium-Argon-Methode auf 17 Millionen Jahre (Mittleres Miozän) datiert (LIPPOLT et al. 1975). Es passt damit gut zu den Altern der Basalte im Vogelsberg. Die ähnlichen Vorkommen von Frankfurt wurden auf ein Alter von 13 - 16 Ma datiert.
Man geht heute davon aus, dass es sich bei all diesen Basaltvorkommen um die Erosionsreste von mehreren basaltischen Deckenergüssen handelt, die ihren Ursprung im Vogelsberggebiet haben. Dafür spricht das junge Alter, die weite Verbreitung und bei keinem der oben aufgeführten Basalte wurden Förderspalten oder ~schlote gefunden. Diese tholeiitischen Basalte sind im und um den Vogelsberg verbreitet, so dass man kaum vom Unterman-Trapp abgrenzen kann: z. B. Bad Nauheim, Friedberg, usw. Sie sind teilweise lateritisch verwittert und bestehen aus mehreren Lagen, auch unterbrochen von fossilen Böden. Aus Hanau bzw. Steinheim sind auch Abdrücke von Koniferen im basaltischen Andesit bekannt geworden. Die Ergussgesteine sondern dann in großen Blöcken säulig ab, was die Gewinnung erleicherte. Die angewitterten Partien bestehen an den oberflächennahen Partien aus rundlichen bis ellipsoidisch verwitterten Gebilden.
Dann kann man sich vorstellen, welches Ausmaß ein solcher Basaltlavastrom haben muss, dass das flüssige Gestein solche Decken von ca. 10 m Mächtigkeit in einer so großen Entfernung von 20 bis 30 km dünnflüssigst bilden kann. Wenn man gegenwärtig (12/2018) die Filme der Ausbrüche des Kilauea auf Hawai´i anschaut, bei der alleine aus der "fissure 8" sehr Monaten etwa 100 m³ dünnflüssige Lava pro Sekunde gefördert werden, die aufgrund des hochen Druckes einen brodelnden Kessel darstellt. Die Lavamassen werden dabei auf mehr als 20 m Höhe gehoben und fließen dann als schmaler Strom aus. Dieser Lavastrom reicht aber nur wenige km bis zum Meer und ist hier bereits mit einer festen Kruste bedeckt. Wenn der in einem Kanal unterirdisch läuft, dann erreicht die Lava auch hellrot und dünnflüssig das Meer (siehe die Filme auf YouTube im Internet). Aber für eine Bildung der Decke mit einer Fläche von ein paar 1.000 km² braucht man ganz andere Förderraten. Damit die Lava nach 20 oder 40 km noch dünnflüssig ist, kann man Förderraten von einigen zehntausend oder gar hunderttausende von m³/sec postulieren. Und das muss in relativ kurzen Ausbruchszeiten von Tagen oder höchstens Wochen geschehen (nimmt man als geschätzes Volumen etwa 40 km³ und eine Eruptionsrate von 100.000 m³/sec an, dann dauert der Ausbruch ungefähr 5 Tage). Dabei kann man sich vorstellen, dass die Lavamassen hunderte von Meter hoch geschleudert werden. Dies alles deshalb, weil die einzelnen Basaltdecken sehr homogen ausgebildet sind. Man kennt aus den zahlreichen Steinbrüchen keine Xenolithe, ja selbst der basaltische Andesit ist erstaunlich homogen, gleichkörnig und vollig frei größeren Mineralbestandteilen oder Fremdgesteinseinschlüssen. Blasige Varinaten sind eher die Ausnahme und sind auf die oberen Partien der Vorkommen beschränkt. Die während des Ausbruches frei werdenden Gase in der Größenordnung von hunderten von Millionen t müssen einen erheblichen Einfluss auf die Umgebung gehabt haben; vermutlich sind die Auswirkungen eines solchen Ausbruchs sogar globaler Natur.
Verwitterungsreste zwischen diesen weisen auf längeren Pausen hin, in denen eine Bodenbildung möglich war. Und die erhaltenen Seillaven weisen auf eine sehr dünnflüssige Lava hin, die sonst bei längeren Strecken abkühlen würde, verschuppt und zur Bildung von Pahoehoe-Laven neigt.
Es gab in historischer Zeit nur einen einzigen vergleichbaren
Vulkanausbruch, der solche apokalyptischen Ausmaße hatte: Die
Lakieruption 1783 in Island! Die geförderten ca. 12,5 km³ Lava
verteilten sich auf ca. 530 km² Fläche (heute noch gut sichtbar),
plombierten und verdunstete ganze Flüsse: Die Förderraten lagen
bei einigen tausend Kubikmeter pro Sekunde. Die dabei austretenden
Gase beeinflussten selbst das Klima im entfernten Europa, wo man
im Sommer 1783 ungeblendet in die Sonne schauen konnte. Und der
folgende Winter 1783/84 zählt zu den klimatisch "großen" Wintern
mit klirrender Kälte, Schnee und Eis. In Island selbst
verhungerten derweil - vom Rest der Welt unbemerkt - große Teile
des Weideviehs (Fluorose) und ein erheblicher Teil der
Bevölkerung! Im Februar 1784 kam es nach einer Tauwetterperiode
mit Regen zu einem Eisgang, der die meisten Flussbrücken zerstörte
und ein unvorstellbares Hochwasser erzeugte.
Das im Spessart sonst seltene und jüngste Ergussgestein weist
kaum sichtbare Mineralien auf. Das sehr dichte Gestein enthält
außerdem überhaupt keine Drusen. Infolge der sehr schlechten
Aufschluss-Situation sind keine Felsen zu sehen bzw. zu finden.
Man kann nur einzelne, meist verwitterte Steine des verwitterten
Gesteins an den überwachsenen Halden auflesen.
Infolge der gleichen Gesteinsmassen in den Vorkommen in Hanau,
Steinheim, Dietesheim usw. in denen reichlich Siderit in kleinen
Drusen zu finden war (siehe weiter unten). Dieser sollte sich hier
in Alzenau auch finden, denn der Enstehungprozess ist ja der
Gleiche.
Mit der Eröffnung des Heimatmuseums in Kahl am Main am 5.-6.1.2008
wurde ich dann fündig. In einer Vitrine im Keller liegen zwei
kleine Pflastersteine mit jeweils ca. 3 cm großen Drusen,
ausgekleidet von weißlichem Calcit (rechts) und braunem Siderit
(links) (Nr. 9; Eigentum von Hern Karl BECKER aus Kahl). So wie
die Stücke formatisiert sind, wurden diese "Pflastersteine" extra
so geschlagen, so dass die Drusen in der Mitte der Stücke liegen.
Jetzt fehlt nur noch der Opal, der hier auch vorgekommen sein
sollte. Vielleicht schlummern entsprechende Stücke in den Häusern
in Kahl oder Alzenau. Damit sind eindeutige Parallelen zu Steinheim a. Main und Dietesheim
vorhanden, wo solche Funde seit 230 Jahren bekannt sind und als
Handelsgut in alle Welt verkauft und vertauscht wurden.
LIPPOLT, H. J., BARANYI I. & TODT, W. (1975): Die
Kalium-Argon-Alter der postpermischen Vulkanite des nordöstlichen
Oberrheingrabens.- Aufschluss Sonderband 27, S. 205 - 212,
2 Abb., Heidelberg.
LORENZ, J. (2019): Steine um und unter Karlstein. Bemerkenswerte
Gesteine, Mineralien und Erze.- S. 25 - 26, 7 Abb..- in
Karlsteiner Geschichtsblätter Ausgabe 12, 64 S., Hrsg. vom
Geschichtsverein Karlstein [MKB-Druck GmbH] Karlstein.
OKRUSCH, M., STREIT, R. & WEINELT, Wi. (1967): Erläuterungen
zur Geologischen Karte v. Bayern. Blatt 5920 Alzenau i. Ufr.- S.
138 ff., München 1967.
OKRUSCH, M., GEYER, G. & LORENZ, J. (2011): Spessart. Geologische Entwicklung und
Struktur, Gesteine und Minerale.- 2. Aufl., Sammlung Geologischer
Führer Band 106, VIII, 368 Seiten, 103 größtenteils
farbige Abbildungen, 2 farbige geologische Karten (43 x 30 cm)
[Gebrüder Borntraeger] Stuttgart.
RENFTEL, L.-O. (1998): Geologische Karte von Hessen 1:25000 Blatt
5819 Hanau mit Erläuterungen.- 2. neu bearb. Aufl., 278 S., 42
Abb., 18 Tab., 2 Beil., [Hess. Landesamt f. Bodenforschung]
Wiesbaden.
RÜCKER, E. (1963): Eine soziale Tat Die Alzenauer
Steinbrucharbeiter hatten schon 1858 eine Krankenkasse.- Unser
Kahlgrund Heimatjahrbuch 9, S. 68 - 70, Alzenau.
RÜCKER, E. (1985): Basaltsteinbrüche im Alzenauer Sand.- Unser
Kahlgrund Heimatjahrbuch 30, S. 113 - 116, Alzenau.
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