von Joachim Lorenz, Karlstein a. Main
Kyanit, Damm bei Aschaffenburg
(Sammlung Museum für Naturkunde, Berlin, mit einem hübschen
Sammlungszettel)*
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Geologie (damals Geognosie) und Mineralogie (damals Oryktognosie) zu einer Wissenschaft, welche auch von wohlhabenden Bürgertum getragen wurde. Es war "schick" sich damit auszukennen (davon kündet noch eine große Anzahl an Büchern aus dieser Zeit). An Schulen, insbesondere an den Gymnasien, wurde dies in heute kaum vorstellbarem Ausmaß vermittelt, gehörte es doch zu einer umfassenden naturwissenschaftlichen Bildung. Aus diesem Grund wurde auch die Umgebung von Aschaffenburg intensiv untersucht, wobei Martin Balduin KITTEL die erste Geologische Karte des vorderen Spessarts erstellte.
Spessartins,
einem Mangangranat, der nach dem Spessart benannt wurde. Er wurde
"unweit Aschaffenburg im Spessart" um 1785 gefunden, damit ist
sicher der Rand des heutigen Stadtgebietes gemeint. In vielen
öffentlichen Sammlungen finden sich die Belege für die
Sammelaktivitäten der Zeit zwischen ca. 1790 und 1860. Funde des
19. Jahrhunderts stammen zum Teil vom Godelsberg. Neuere Funde
stammen zumeist aus dem Bereich des Wendelberges
zwischen Haibach und Aschaffenburg.
Lage
Als einzelne Fundstellen werden genannt oder sind aus der älteren
Literatur bekannt:
Geologie
Das Stadtgebiet wird in weiten Bereichen durch pleistozäne und
pliozäne Sedimente - Sande und Tone - verhüllt. Stellenweise sind
auch die Kalke und Dolomite des Zechsteins verbreitet. Darunter
stehen kristalline Gesteine wie Para- und Orthogneise an. Darin
sind auch Pegmatite vorhanden, die als Fundstellen der Mineralien
bekannt wurden. Felsen aus dem Goldbacher Gneis (Orthogneis) sind
zum Beispiel als Felsen am
Mainufer (siehe OKRUSCH, GEYER & LORENZ (2011)
Titelfoto und S. 176f, Aufschluss Nr. 59) zwischen Schloss und
Pompejanum zu sehen. Diese Gesteine wurden früher auch zu
Bauzwecken genutzt, aber der größte Teil des Baumaterials kam aus
den Steinbrüchen am Kugelberg, Wendelberg und den angrenzenden
Sandsteingebieten.
Hohe Stützmauer mit einem Zinnenkranz des Badbergs (Eigentum des
Hotels Wilder Mann gegenüber) an der Löherstraße aus dem örtlichen
Goldbacher Gneis, eingefasst und gewölbt von Buntsandsteinquadern.
Die Jahreszahlen in dem niedrigen Teil, der ausschließlich aus
Sandstein
erbaut wurde, weisen auf eine Erneuerung Ende der 1950er Jahren
hin.
Aufgenommen am 15.04.2012
Mineralien
Folgende Mineralien konnten bis heute in durchaus bemerkenswerten
Stücken gesehen werden:
Apatit als cm-lange, meist grünliche Säulen im Quarz.
Das abgebildete Stück wurde sicher im 19. Jahrhundert
gefunden, wohl in einem Aufschluss nahe der Oberfläche. Oft
wurden solche Stücke als "Beryll" ausgeschildert; Beryll
kommt zwar vor, ist aber weit seltener als Apatit.
Baryt als weiße, spätige Massen (hier tektonisch beansprucht
und verbogen) z. B. von der Umgehungsstraße östlich der
Feuerwache und im Bereich der Bavariastraße.
Calcit ("Kalkspath") aus
dem Zechstein-Dolomit, hier als Druse mit vermutlich
Romanechit (Museum für Naturkunde Berlin, ex Sammlung Rumpff
Nr. 75 22, Nr. 2000-1100). Das Stück stammt vermutlich aus
Schweinheim, da hier Zechstein-Dolomite anstanden.
Aufschlüsse gibt es im Rahmen von Baumaßnahmen.
Ilmenit als derbe Massen aus einem
Gneis (das historische Stück stammt aus der Sammlung von
Andreas VÖLKER, Rothenbuch). Meist handelt es sich bei
solchen Belegstücken aber um Hämatit, der viel häufiger
vorkommt.
Kyanit
(auch Cyanit oder Disthen) als bis zu 10 cm lange, bläuliche
Stengel im Quarz!
Muskovit als bis zu 15 x 10 cm große Tafeln, hier im Foto
als "Glimmer Gegend von Aschaffenburg" mit einer Bildbreite
von 9 cm - gefunden und beschriftet sicher im 19.
Jahrhundert. Solche silbrig glänzenden, dünn aufspaltend und
durchsichtige Muskovit-Tafeln sind auch in den Böden über
den Vorkommen vorhanden, da der Muskovit
verwitterungsbeständiger ist als beispielsweise der Biotit.
Die beiden Bilder oben
zeigen Dünnschliff-Fotos von Sillimanit unter dem
Polarisationsmikroskop bei gekreuzten Polarisationsfiltern.
Diese zeigen deutlich die unterschiedliche Orientierung der
feinfaserigen Massen.
Turmalin in der Form von bis zu 5 cm-langen und
cm-dicken Stengeln im Quarz. Das abgebildete Stück stammt
von einer Baustelle nahe der Würzburger Straße
(Beckerstraße) und wurde 1970 beim Bau eines Hauses
gefunden. Hier kam derber, schwarzer Turmalin (Schörl) in
unglaublichen Massen vor. Leider sind davon die meisten
Belegstücke verloren gegangen, da die Finder weggezogen oder
verstorben sind.
Spessartin als rundliche, braunrote Kristalle in
Pegmatiten. Das hier abgebildete, außergewöhnliche Stück aus
einem ehemaligen Steinbruch am Godelsberg mit dem Zettel,
der auf die Herkunft vom Mineralienhändler Wilhelm MAUCHER
(*1879 †1930)
aus München hinweist. Das Stück befindet sich heute in der
Sammlung von Karlheinz GERL, Oberkotzau bei Hof. Aventurin aus "Fundstellen bei Aschaffenburg"? Auf sehr vielen Seiten im Internet - selbst WIKIPEDIA - wird beim Aventurin geschrieben, dass es Fundstellen bei Aschaffenburg geben soll. Und sonst nur noch im Ural Russlands und in Österreich. Dabei stellt sich die Frage, wo ist "bei Aschaffenburg"? Wenn man die alte Literatur nehmen würde, dann könnte das im heutigen Stadtgebiet sein, denn Aschaffenburg ist heute sehr viel größer als im 19. Jahrhundert. Heute ist "bei" dann in den umliegenden Ortschaften oder wie weit weg? Ein Abbau oder die Gewinnung von Aventurin "bei Aschaffenburg" ist nicht bekannt. Es stellt sich dann schon die Frage, woher die großen Mengen an Aventurin auf den Mineralienbörsen kommen; vermutlich zum größten Teil aus Brasilien, aber auch aus Indien, China usw.. Aus "bei Aschaffenburg" sicher nicht. Dabei muss man auch die Frage stellen, wann spricht von einem Aventurin? Klar, es ist ein Quarz (sehr häufig) mit Glimmerschüppchen (auch häufig, als schwarze Biotit, silbriger Muskovit und sogar Chrom-haltig grün als "Fuchsit") oder auch Hämatit-Schüppchen. Diese Mineralien gibt es in den Kristallingesteinen des Spessart doch mit einer sehr weiten Verbreitung, nach Norden bis nach Bieber, nach Westen bis Stockstadt und nach Osten bis Hain und Waldaschaff. Und wenn man es geologisch sieht, dann kommt der Odenwald auch noch in Betracht, denn hier gibt es auch verbreitet metamorphe Gesteine mit Quarz und Glimmer. Viele Quarze enthalten entlang der Grenze gegen den Gimmerschiefer ein paar Glimmerschuppen, aber ist das dann Aventurin? Und die meisten Quarze sind weiß oder grau, rissig und brüchig und lassen keinen Blick in das Innere des Quarzes zu, so dass ein Glimmerschüppchen nach wenigen mm nicht mehr sichtbar ist. Klare Quarze sind im Vorspessart äußerst selten und dann noch mit Glimmerschüppchen oder Hämatit-Einschlüssen gar nicht bekannt. Eine Ausnahme sind Ackerfunde (Lesesteine) im Verbreitungsgebiet der Mömbris-Formation, bei der die seltenen Hohlräume in den Quarzen zerscherbt und vom Pflug verstreut werden. Dabei sind auch transparente Quarz-Kristalle auf Äckern zerstreut worden. Durch mühevolles Suchen gelang Thomas WEIS aus Schneppenbach solche Funde. Ist das der Aventurin aus dem Internet? Grauer Quarz mit Glimmer- Schüppchen auf dem Quarz aus einer Baugrube an der Würzburger Str., gefunden 2014, Bildbreite 10 cm Wenn man sich streng an die Regeln der Benamung von Mineralien hält, müsste man den Aventurin als Gestein ansehen und nicht als Mineral. Man kann ihn als Form eines Quarzites bezeichnen, denn es sind 2 Mineralien verwachsen, z. B. Cr-haltiger Muskovit im Quarz. Und die Rohstücke auf den Webseiten sehen eigentlich aus, als hätte man einen Quarzit vor sich. Die gibt es übrigens in den Quarzit-Zügen der Geiselbach-Formation dann auch häufig, aber das ist sicher nicht "bei Aschaffenburg". So lässt sich kaum mehr klären, wer das mit "bei Aschaffenburg" erstmals verwandte. Es scheint so, dass man einfach ungeprüft abgeschrieben hat und so die Verbreitung mit jeder Website die Aventurin erwähnt, gewachsen ist. |
Literatur
KITTEL, M. B. (1840): Skizze der geognostischen Verhältnisse der
nächsten Umgebung Aschaffenburgs.- 63 S., Aschaffenburg.
LORENZ, J. (2004): Der „dicke Stein“ an der Autobahn A3 zwischen
Aschaffenburg-Damm und Goldbach.- Spessart Monatszeitschrift für
die Kulturlandschaft Spessart 98. Jahrgang, Heft April
2004, S. 17 - 22, 10 Abb., [Main-Echo GmbH & Co KG]
Aschaffenburg.
LORENZ, J. mit Beiträgen von M. OKRUSCH, G. GEYER, J. JUNG, G.
HIMMELSBACH & C. DIETL (2010): Spessartsteine.
Spessartin, Spessartit und Buntsandstein – eine umfassende
Geologie und Mineralogie des Spessarts. Geographische,
geologische, petrographische, mineralogische und bergbaukundliche
Einsichten in ein deutsches Mittelgebirge.- s. S. 467ff.
LORENZ, J. (2020): Pegmatite – Quell für seltene Mineralien.-
NOBLE Magazin Aschaffenburg, Ausgabe Herbst/Winter 2020, S. 58 -
60, 10 Abb., [Media-Line@Service] Aschaffenburg.
LORENZ, J. (2024): Sillimanit, Kyanit, Andalusit, Mullit –
Aluminium-Silikate als Thermo-Barometer für Geologen.- NOBLE
Magazin Aschaffenburg, Ausgabe Frühjahr/Sommer 2024, S. 48 - 49, 6
Abb., [Media-Line@Service] Aschaffenburg.
OKRUSCH, M., GEYER, G. & LORENZ, J. (2011): Spessart. Geologische Entwicklung und
Struktur, Gesteine und Minerale.- 2. Aufl., Sammlung Geologischer
Führer Band 106, VIII, 368 Seiten, 103 größtenteils
farbige Abbildungen, 2 farbige geologische Karten (43 x 30 cm)
[Gebrüder Borntraeger] Stuttgart.
WEINELT, W. & STREIT, R. (1971): Geologische Karte von Bayern
1:25000 Erläuterungen zum Blatt Nr. 6020 Aschaffenburg.- 398 S.,
München.
* Die beiden Fotos wurden freudlicherweise von Dr. Ralf SCHMITT, Museum für Naturkunde Berlin, zur Verfügung gestellt. Diese außergewöhnlichen Sammlungszettel gelten als die schönsten Sammlungszettel und werden bei guter Erhaltung mit ca. 300 und mehr € gehandelt!
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